Innviertler Künstlergilde

IKG-Ausstellung Braunau Stadtturm-Galerie 2023

Langform der  Gilden-Entstehungsgeschichte inkl. Quellen-Angabe

Autorin:  Martina Riepl

Gilden-Entstehungsgeschichte 1923 – 1926

„Ein Jeder er selbst“

Der Erfolgsstart der Innviertler Künstlergilde

Große Not. 

Das war die allgemeine Lage, die die Menschen nach dem Ende des Ersten Weltkrieges in Österreich zu durchleben hatten und mit der sie kaum zurande kamen. Die Monarchie war untergegangen, „Restösterreich“, ein Rumpfgebilde mit neuer, unvertraut-demokratisch-republikanischer Staatsform, erschien kaum überlebensfähig, der erhoffte Anschluss an Deutschland war vereitelt, die einander hassenden politischen Lager verschärften die Polarisierung durch paramilitärische Selbstschutzverbände – während im Hintergrund die nächstschlimmere Gefahr anschwoll: der Nationalsozialismus. 

Die Not ballte sich in den Städten. Man erlebte sie als Hort des Hungers und Elends, des Verfalls, Verderbens und der Kulturzerstörung. Das galt auch für Wien, die ehemalige Kunstmetropole, deren einzigartige Künstlergeneration unterging; in einem speziellen Todesjahr, 1918, starben Gustav Klimt, Otto Wagner, Kolo Moser, Egon Schiele …

Besonders junge Künstler hatten in Wien und in anderen großen Städten keinen Erfolg mehr zu erhoffen.  

In dieser Not strebten viele engagierte Künstler von der Stadt auf das Land, wo neue Künstlervereinigungen entstanden, z.B. „Der Wassermann“ in Salzburg (mit Anton Faistauer), „Der Nötscher Kreis“ in Kärnten (mit Franz Wiegele und Anton Kolig) oder die Grazer Sezession (mit Wilhelm Thöny) und der „Oberösterreichische Künstlerbund MAERZ“ (mit Egon Hofmann, Robert Angerhofer, Vilma Eckl u.a.).

Es war besonders, aber nicht nur, die wirtschaftliche Not, ja Hungersnot, die die Innviertler Künstlergilde entstehen ließ.

Von dieser prekären Lage betroffen trafen einander, wie Karl Hosaeus, der Mattighofener Forstverwalter, später niederschrieb (in: Bauböck 1967:34-35), er und zwei weitere Freunde, die Maler Louis Hofbauer und Aloys Wach, an einem Juniabend des Jahres 1923 im Braunauer Café „Post“. Man beklagte den kulturellen Niedergang der Nachkriegszeit, und Aloys Wach verwies auf das erstaunliche Potenzial der vielen im Innviertel ansässigen Künstler, seien sie hier geboren oder zugewandert – als hätte der Landstrich gerade für Künstler eine besondere Anziehungskraft: die Osternberger Künstlerkolonie! Die Rieder Künstler wie Dachauer, Weidinger, Rauch! Kubin in Wernstein! Ein Zusammenschluss zu einer „Keimzelle neuer geistiger Besinnung“ sei schlechthin ein „Gebot der Stunde“; der als Braunauer Bezirkshauptmann designierte Dichter Hans von Hammerstein wäre der prädestinierte Präsident. Der Begeisterungsfunke sprang über, sofort brach man auf zum nahen Gut Osternberg und konnte, trotz inzwischen später Stunde, dessen stets aufgeschlossenen Hausherrn Hugo von Preen, Maler, Archäologe, Heimatforscher und Altmeister jenes Künstlerbrennpunktes, aus dem wichtige Protagonisten der Münchener Secession hervorgingen, tatsächlich für das Vorhaben begeistern. Man legte fest: Der Zusammenschluss sollte „Innviertler Künstlergilde“ heißen, Hofbauer sollte die Innviertler Künstler anwerben, Hammerstein sollte für die Ehrenpräsidentschaft gewonnen werden. Hosaeus hatte bereits angeboten, die Organisation zu übernehmen. Das Vorhaben konkretisierte sich: die Innviertler Künstler stimmten gerne zu, nicht nur die schon genannten, sondern auch Viktor Hammer, Engelbert Daringer, Walter Ziegler und Maximilian Liebenwein. Dachauer vergewisserte sich vorsichtig der Qualität des Unterfanges, wollte Dilettantismus vermieden wissen und machte seine Mitgliedschaft von der Teilnahme Hammers (den er 15 Jahre später als einer der drei kommissarischen Leiter der Wiener Akademie seines Professorenamtes entheben sollte), Liebenweins, Kubins und von Preens abhängig. Skeptisch reagierte Alfred Kubin (in: Mader 1981, 12 aus Gildenarchiv Zl.2/1), war er doch schon ein Künstler von Weltgeltung: „Sehr geehrter Herr, ich gestatte gerne meinen Namen auf die Mitgliedliste der Innviertler Maler zu setzen, muß jedoch daran die Bedingung knüpfen, daß mir keinerlei Verpflichtungen hieraus erwachsen.“ Nun arbeitete Hosaeus unter Einbeziehung der Wünsche aller Angeworbenen einen Satzungsentwurf aus, der am Gründungstag zwar noch nicht behördlich genehmigt war, aber von der Gründungsversammlung angenommen wurde.  

Am 11.11.1923 um 14 Uhr fand im Braunauer Gasthof Fink die Gründungs-Hauptversammlung statt. 

Im Sinne von Hosaeus‘ Satzungsentwurf wurde die Wahl der Vereinsleitung vollzogen: 

Erster Ehrenpräsident: Hans von Hammerstein-Equord, Braunau am Inn

Erster Vorsitzender: Hugo von Preen, Osternberg

Erster Schriftführer: Karl Hosaeus, Mattighofen

Erster Zahlmeister: Edmund Bayer, Braunau am Inn

Erster Künstlerausschuss: Aloys Wach, Braunau am Inn und Louis Hofbauer, Mattighofen

Zu den Gründungsmitgliedern zählen:

Dachauer Wilhelm, akad. Maler 

Daringer Engelbert, akad. Maler 

Dimmel Herbert, akad. Maler 

Hammer Viktor, akad. Maler 

Hammerstein Hans, Freiherr von, Literat, Bezirkshauptmann von Braunau

Hirschenauer Max, akad. Maler 

Hofbauer Louis, akad. Maler 

Kubin Alfred, akad. Maler 

Liebenwein Maximilian, akad. Maler 

Preen Hugo von, akad. Maler 

Puchner Richard, Architekt

Reynier Emil, akad. Maler 

Wach Aloys, akad. Maler 

Weidinger Franz Xaver 

Ziegler Walter, akad. Maler  

Angemeldet, aber (entschuldigt) nicht erschienen waren die akademischen Maler Alfred Kubin und Maximilian Liebenwein.

Im ersten Gildenjahr, 1924, wurde auf Hammersteins Wunsch noch der Journalist und Schriftsteller Josef E. Langhans als Qualifikationsprüfer aufnahmewerbender Schriftsteller aufgenommen.

Ein illustrer, hochkarätiger Kreis – eine elitäre Herrenrunde.

Frauen? Sie wurden von vornherein abgelehnt! Hammerstein (1999:112) verweist auf „unschöne[…] Einhelligkeit […], und zwar in höchst unhöflicher, ja unritterlicher Art: nämlich [den] Ausschluss des schönen Geschlechts vom Kreise der kunstausübenden Mitglieder, der ebenso streng und entschieden wie bündig ohne jegliche Begründung vor der Öffentlichkeit erfolgte“. Als 1925 in Schärding eine erfolgreiche Ausstellung der IKG lief, durfte zum ersten Mal eine Frau als Gast teilnehmen: die Schärdinger Malerin Magda Ghon-Kyrle. Sie wagte im selben Jahr eine Aufnahme-Bewerbung: abgewiesen. Weil sie Frau war. Josef Maders Trostworte (1981:31): „Aber auch die anderen Bewerber fanden keine Gnade, sie wurden entweder abgelehnt oder vertröstet.“

Ein Kernmotiv der Gründung, das auch in den Medien zentral kolportiert wurde, war die Distanzierung vom kulturzerstörenden Trend der Großstadt. Hammerstein (1999: 107) schrieb: „Die neue Gilde war also eine Vereinigung, die zwar in der Provinz und auf dem Lande, aber keineswegs mit provinziellem Drang und Gesichtskreis entstand. Hingegen stand als eine schon bei der Gründung und bald auch öffentlich erklärte Absicht fest, ‚den Beweis zu erbringen, daß die Kunst kein Monopol der Großstadt ist und jeder künstlerische und kulturelle Auftrieb und Verjüngungsprozeß vom Lande ausgeht‘. Ja, wir wollten vom gesunden Lande aus und mit frischen oder ländlich erfrischten Kräften schließlich auch die Großstadt erobern und der dort vielfachen Entartung [sic!] verfallender Kunst wieder Gesundung bringen.“

Als Zweck der Vereinigung formulierte der erste Entwurf der IKG-Satzungen vom 15. September 1923 die „Förderung der Kunst und aller künstlerischen Belange im Innviertel im Allgemeinen und der Mitglieder als ausübende Künstler in künstlerischer und wirtschaftlicher Beziehung im Besonderen“ (Mader 1981: 134-140) (Frohmann 2023: 66). Künstlerische und wirtschaftliche Gründe – und keineswegs politische Absichten – standen also seit Anbeginn im Zentrum der Bestrebungen.

Das erste Gildenjahr, 1924, stand ganz im Zeichen intensiver Aufbauarbeit und war erfreulicherweise von ersten Erfolgen gekrönt. 

Zunächst ging es um die Bekanntmachung und um Unterstützung. Es war Hosaeus, der die ersten effizienten Kontakte zu den Medien herstellte; es war Hammerstein, der – bis hinauf zur Regierungsspitze – finanziell großzügige Sponsoren anwarb, was besonders nötig war. Es gelang bereits in den Anfängen, über 200 teils prominente Persönlichkeiten dafür zu gewinnen. (Allerdings findet sich darunter auch der später schwerstbelastete Franz Langoth, damals deutschnationaler Landeshauptmann-Stellvertreter: 1934-1938 leitete er das „Hilfswerk Langoth“ zur Unterstützung österreichischer NS-Aktivisten, in den Märztagen 1938 wurde er SS-Mitglied und bald darauf Mitglied der NSDAP und fällte 1940-1944 als Richter beim Volksgerichtshof in 51 Verfahren mit insgesamt 125 Angeklagten 41 Todesurteile). 

Zugleich suchte man Kontakt zu anderen Künstlergemeinschaften und durfte sich über ein enormes Ansteigen der Aufnahme-Bewerbungen freuen.

Der besondere Einstiegs-Erfolg war jedoch die erste Ausstellung der IKG, die bereits am 23.02.1924 in Braunau eröffnet wurde. Mader (1993: 5) nennt die Vernissage ein „künstlerisches und – durch den anschließenden Kostümball, für den Aloys Wach die Dekorationen schuf – auch ein besonderes gesellschaftliches Ereignis“. Das Medienecho sei fulminant gewesen. – Im selben Jahr wurden noch zwei weitere Ausstellungen organisiert, die eine, die Liebenwein und Wach einen Ehrenpreis bescherte, in Salzburg, die andere, mit überraschend hoher Besucherzahl und gutem Verkaufserfolg, in Mattighofen. 

Man überlegte, einen Gildealmanach herauszubringen. 

Auch im folgenden Gildenjahr 1925 hielt die Erfolgsserie an. Elf neue Mitglieder wurden aufgenommen:

Jeblinger Raimund, Architekt 

Schihan Hans, Architekt 

Wetzelsberger Walter, Architekt

Furthner Josef, Bildhauer

Rausch Karl, Komponist 

Reiter Josef, Komponist

Ozlberger Ekke, akad. Maler 

Rauch Adolf, akad. Maler 

Rauch Alois, akad. Maler 

Schmoll von Eisenwerth Karl, akad. Maler 

Billinger Richard, Schriftsteller

Im Künstlerausschuss fungierten neuerdings Wilhelm Dachauer und Franz Xaver Weidinger sowie Hans von Hammerstein, der nunmehr auch Vorsitzender-Stellvertreter war. Für den nach Wels übersiedelten Zahlmeister Edmund Bayer sprang vorübergehend Helene Hosaeus ein. 

Ausstellungstätigkeit und Öffentlichkeitsarbeit samt Werbung und Geldbeschaffung wurden weiter ausgebaut und rege betrieben; für Letztere sah man sich besonders Künstlern in Not verpflichtet. Finanzielle Hilfen und Unterstützungen für notleidende Gildenmeister, auch aber für Studenten waren insbesondere Grund für viele Neubewerbungen. Vor allem Karl Hosaeus engagierte sich hier. 

Im Februar und März lief in Ried im Innkreis die vierte Ausstellung der IKG, kuratiert von Wilhelm Dachauer und Hans Schihan. Als Gäste-Aussteller fanden sich Heinrich Gabler und Hans Kühberger ein. Kubin aber (in: Mader 1981:28) schrieb an Hosaeus als Antwort auf die Beteiligungs-Einladung: „… auf Ihre neuere Einladung zur Rieder Ausstellung muß ich Ihnen leider mitteilen, daß ich mich nicht beteiligen werde – und schon beim Eintritt in die Gilde bemerkt habe, nur gelegentlich die für mich zwecklosen Provinzausstellungen zu beschicken …“ Mader (1981:28) dazu lapidar: „Jedenfalls beschickte er jede der folgenden Ausstellungen ausgiebig.“ Denn: die Ausstellung fand ein exzellentes Echo, auch medial. Und das war nicht der einzige Ausstellungserfolg dieses Jahres; weitere folgten in Bad Ischl und Schärding mit guter medialer und öffentlicher Wahrnehmung sowie Auszeichnungen für Weidinger und Hofbauer. Nun, in Schärding stand Kubin bereits im Mittelpunkt – und Hirschenauer gemeinsam mit ihm. Als Gast, wie schon erwähnt, Frau Magda Ghon-Kyrle, eine Schärdinger Malerin. An der Eröffnung waren erstmals Musiker und Dichter beteiligt: Rausch und Reiter; Hammerstein und Billinger. Neuerdings betreute die Gilde auch Konzertveranstaltungen. Parallel dazu lief die Arbeit am ersten Almanach.

Ende 1925 zählte die Gilde 26 ordentliche und 462 unterstützende Mitglieder. Das sollte noch wachsen; 1928 hatte sie bereits mehr als 600 Förderer. 

Das Jahr 1926 brachte einiges an Veränderung. Die Tendenz hieß Erweiterung. Dieses Bestreben war eigentlich von Anfang an gegeben und wurde nun satzungsmäßig am 30. Jänner 1926 in einer Neufassung der Statuten festgelegt. Die Gilde sollte sich ausdehnen: über Österreich hinaus auf die an das Innviertel angrenzenden Landschaften – sowie auf (fast) alle Kunstsparten (Architektur, Bildhauerei, Komposition, Literatur). (Im November desselben Jahres wurde die Erweiterung auf Mitglieder aus dem ganzen deutschen Kulturkreis ausgedehnt.)

Der Zweck der Gilde wurde in den neuen Statuten präzisiert und um den berühmten Leitsatz bereichert:

„Zweck der Vereinigung ist die Förderung der Kunst und aller künstlerischen Belange im Innviertel – das ist dem Gebiet der Bezirkshauptmannschaften Braunau am Inn, Ried im Innkreis, Schärding am Inn – sowie in den, diesem [sic] Gebieten angrenzenden Landschaften im Allgemeinen und der ordentlichen Künstlermitglieder in künstlerischer und wirtschaftlicher Beziehung im Besonderen. 

In Verfolg dieses Zweckes strebt die ‚Innviertler Künstlergilde‘, anknüpfend an die hohe Kultur im Innviertel zur Zeit der Gotik, des Barock, zuletzt noch des Biedermeier, eine Brücke zu schlagen, von jenen kunstfrohen Tagen über den letztvergangenen Zeitraum des Materialismus, der Geschmacklosigkeit und der Verflachung zu einer Renaissance des deutschen Kunstlebens, getreu dem Leitsatz:

Naturhaft, ein Jeder er selbst und fromm wollen wir sein!“ (IKG 1926: Satzungen)

Die Definition für Ordentliche Mitglieder in den neuen Statuten lautete: „Das sind ausübende, berufen schaffende Künstler, akademischer Vorbildung, ohne Ansehen der Kunstgattung, die im Innviertel gebürtig sind oder daselbst zumindest längere Zeit im Jahre seßhaft leben oder bei vorübergehendem Aufenthalt im Innviertel in enger geistiger und persönlicher Verbindung mit der bodenständigen Innviertler Künstlerschaft schaffen und wirken.

Ausnahmen von der Bedingung akademischer Vorbildung kann in außerordentlichen Fällen nachgewiesener Begabung und künstlerischer Leistung fallweise die Hauptversammlung der ‚Innviertler Künstlergilde‘ zulassen.“

Man strebte danach, speziell Prominenz als fördernde Mitglieder zu gewinnen und konnte beispielsweise Dr. Franz Berger, den oberösterreichischen Landesschulinspektor und Lokalhistoriker, sowie Dr. Hermann Ubell, den Direktor des oö. Landesmuseums, und weitere „hervorragend fördernde Persönlichkeiten“ überzeugen. So findet sich unter den Neuaufnahmen von 1926 auch Landeshauptmann Johann Nepomuk Hauser als Ehrenmitglied.

Auch in den neuen Statuten finden sich keinerlei Hinweise auf politische oder gar parteipolitische Ambitionen der IKG. Das große tragende Anliegen war und blieb die Kunst.

Blicken wir jedoch in die Biografien der Gildenmeister, so finden wir früh etliche nationalistische bzw. großdeutsche Tendenzen und später überzeugte Hinwendungen zum Nationalsozialismus. Dies wird bei den heftigen Verwerfungen der weiteren Jahre nicht ohne Einfluss gewesen sein.

Punkto Neuaufnahmen von Ordentlichen Mitgliedern (heute: Gildenmeistern) galten also weiterhin strenge Qualitätskriterien; etliche Bewerber wurden abgewiesen. Eine Ausnahme machte man jedoch gleich am 30. Jänner 1926 mit der Aufnahme des künstlerischen Autodidakten Ernst August von Mandelsloh. Hammerstein selbst hatte ihn protegiert – mit fatalen Folgen. Er und Hammerstein, im Vorstand aneinander gebunden, wurden (besonders politisch, aber auch in künstlerischen Bereichen) die extremsten Antagonisten. 

Hammerstein (1999: 147) gab das selbst zu: „Die stärkste Sprengpatrone an Wurzel und Grundfeste der Gilde aber legte ich unahnend und in guter Meinung selber in Gestalt meines Freundes und Trauzeugen Ernst August Freiherr von Mandelsloh.“ Die Gilde zeigte nämlich bereits Tendenzen, von der Erfolgsphase in eine neue, höchst schwierige Ära abzudriften, geprägt von Streitigkeiten nicht zuletzt politischer Natur. Dies wurde durch Mandelsloh schließlich verstärkt, den glühenden Nationalsozialisten und frühen, illegalen NS-Funktionär (1932 Partei- und SA-Mitglied, 1933 SS-Mitglied und schließlich Ernst Kaltenbrunner berichtsverpflichtet. Ihm stand übrigens noch eine weitere hohe NS-Politkarriere bevor). Dominant schon als einfaches Ordentliches Mitglied, lenkte er, als er nach Hugo von Preen 1931 Vorsitzender wurde, die Gilde zudem unglückselig in den finanziellen Niedergang bis hin zum Stillstand des Gildengeschehens.

Hammerstein (1999: 147-153) sagte in den letzten Sätzen seiner 1942 entstandenen Aufzeichnung „Die Innviertler Künstlergilde“ mit Resignation: „Ich schließe diese Blätter mit dem Ziel, das der Innviertler Künstlergilde die Zeit setzt vor der Zeit, da sie ihr Ziel erreichte. Ihr wie vielen anderen Dingen und Menschen. Der Erdrutsch, den wir erlebten, hat auch sie verschüttet, in dem Augenblick, da sie auf der Höhe angelangt und noch ein weites Feld der Entwicklung vor sich zu haben schien. Und leider glauben wir, daß diesen Erdstößen und Erdrutschen die Eruption noch folgen wird.“ 

Er schien zunächst recht zu haben. Doch: Die Gilde überstand und überlebte Erdrutsche und Eruptionen (besonders die des Dritten Reichs), verjüngte sich und gesundete. Und die Gründungsväter kämen aus dem Staunen nicht heraus, sähen sie, nach hundert Jahren, das unglaubliche, vielfältige, vitale Potenzial der heutigen über 150 aktiven Gildenmeister. Und Gildenmeisterinnen. Vor einem weiten Feld der Entfaltung.

Der Geist. Die Kunst. Das Leben.

 

QUELLEN/LITERATUR

Die obigen Ausführungen und Kurzbiografien übernehmen großteils bzw. stützen sich weitgehend auf die von Sigrid Kofler, Verena Traeger und Christian Peterlik im Jubiläumsbuch der IKG: „Der Geist. Die Kunst. Das Leben.“ publizierten Biografien der bereits verstorbenen IKG-Gildenmeister sowie auf das ebd. veröffentlichte Kapitel „Gildenhistorie“ (S. Frohmann: „100 Jahre Innviertler Künstlergilde“; G. Gansinger: „Die IKG und der Nationalsozialismus“; M. Riepl: „Gildengeschichte 1923—1945“). 

Ankwicz-Kleehoven, Hans 1926: Die Innviertler Künstlergilde, in: Jahrbuch der IKG 1926, S. 1-22

Barta, Bernhard 2008 a: Ernst August von Mandelsloh. Maler und Landesleiter der Reichskulturkammer der bildenden Künste Oberdonau, in: Kirchmayr (Hg) 2008: 135-138

Barta, Bernhard 2008 b: Anton Lutz. Zur Rezeption eines Erfolgsmalers im Kontinuum von Zwischenkriegs-, NS- und Nachkriegszeit, in: Kirchmayr (Hg) 2008: 145-149

Bauböck, Max (Hg) 1967: Die Osternberger Künstlerkolonie. Aus den Aufzeichnungen Hugo von Preens (1854-1941), in: Innviertler Künstlergilde, Jahrbuch 1967/68, Braunau-Ried-Schärding, Druck: OÖ Landesverlag Ried, S. 19-35, hier 34-35 

Fink, Hans 1964: Karl Hosaeus, in: Innviertler Künstlergilde, Jahrbuch 1964/65, Braunau-Ried-Schärding, Druck: OÖ. Landesverlag Ried, S.3-4

Forum OÖ Geschichte, online 2023:  https://www.ooegeschichte.at/forschung/literatur/historische-bibliografie (Hosaeus)

Hammerstein, Hans von 1999: Erinnerungen und Betrachtungen, in: Quellen zur Geschichte Oberösterreichs 4, herausgegeben vom OÖ. Landesarchiv, Linz 

Innviertler Künstlergilde (Hg) o.J.: Der Geist. Die Kunst. Das Leben. 100 Jahre Innviertler Künsltergilde 1923 – 2023. Publikation anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Innviertler Künstlergilde, Ried i. I.: Druck Hammerer GmbH

IKG Jahrbücher:

Jahrgänge 1926 – 1932 Innviertler Künstlergilde, Mattighofen; Wien: Eckart-Verlag 

Jahrgang 1933 im Selbstverlag Innviertler Künstlergilde, Braunau am Inn, Buchdruckerei Tyrolia A. G. Wien

Jahrbuch 1964/65, Braunau-Ried-Schärding, Druck: OÖ. Landesverlag Ried

Jahrbuch 1967/68, Braunau-Ried-Schärding, Druck: OÖ Landesverlag Ried

IKG Mitgliederlisten:

Innviertler Künstlergilde (Verleger) 1934 – 1937: Die Innviertler Künstlergilde. Braunau am Inn, Oberösterreich. Druck: Josef Stampfl & Comp., Braunau a. I.

IKG 1923 Satzungen der Innviertler Künstlergilde, 1. Fassung vom 15. September 1923, in: Mader 1981: 134-140 

IKG 1926 Satzungen des Vereins Innviertler Künstler, Dichter, Komponisten und Kunstfreunde: „Innviertler Künstlergilde“, Mauerkirchen, 30.1.1926. Wien: Eckart-Druck 

Kirchmayr, Birgit (Hg.) 2008: „Kulturhauptstadt des Führers“. Kunst und Nationalsozialismus in Linz und Ober-österreich, Ein Projekt der oberösterreichischen Landesmuseen in Kooperation mit Linz 2009 Kulturhauptstadt Europas. Ausstellungskatalog, Oberösterreichische Landesmuseen Linz, Weitra: Bibliothek der Provinz 

Mader, Josef 1981: Die Innviertler Künstlergilde von 1923 – 1948. Ein Beitrag zur regionalen Kunstgeschichte Österreichs, unveröffentlichte Dissertation, Universität Salzburg 

Mader, Josef 1993: Am Anfang war die Not, in: Die Gründungszeit 1923-1938. 70 Jahre Innviertler Künstlergilde. Zur Ausstellung im November/Dezember 1993 in der Stadttorturmgalerie Braunau am Inn, veranstaltet von der IKG in Zusammenarbeit mit dem Heimatverein „Alt Braunau“, Hg.: Innviertler Künstlergilde, Ried im Innkreis. Druck: Moserbauer Druck & Verlag Mattighofen

OÖLA  Oberösterreichisches Landesarchiv (Kopien der Originaldokumente): NS-Biografien, Täter I / Sch.Nr.3 / Laufende Nr. 69 / Personenbezogene Unterlagen / ÖSTA, zu Ernst August von Mandelsloh: Personalbogen für Künstler – Angaben über die Zugehörigkeit zur NSDAP – Personalfragebogen der NSDAP – Reichskammer der bildenden Künste Berlin, Fragebogen 

Osternberg online 2023: Osternberger Kolonie – Lexikon und Angebote – Kauf und Verkauf (kettererkunst.de)

Österreichisches Staatsarchiv, online 2023: http://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=2183636 (Hosaeus)

Stadtgeschichte Linz online 2023: Aufarbeitung Nationalsozialismus>NS-Täter Langoth

StifterHaus, Adalbert-Stifter-Institut des Landes Oberösterreich online 2023: https://www.stifterhaus.at/stichwoerter/innviertler-kuenstlergilde

Wikipedia online 2023: diverse Persönlichkeiten